Abschlussbericht wird Minister Dorgerloh übergeben

163 Empfehlungen: Weichenstellung für die Zukunft

 

Landtagspräsident Detlef Gürthe (1. R. 3. v. l.) und Kultusminister Stephan Dorgerloh (1. R. 2. v. r.) erhalten den Abschlussbericht des Konvents. (Foto: Katja Müller)
Landtagspräsident Detlef Gürthe (1. R. 3. v. l.) und Kultusminister Stephan Dorgerloh (1. R. 2. v. r.) erhalten den Abschlussbericht des Konvents. (Foto: Katja Müller)

Magdeburg. Als wichtigen Schritt im Blick auf die künftige Kulturentwicklung und Kulturförderung in Sachsen-Anhalt hat Kultusminister Stephan Dorgerloh den Abschlussbericht des Kulturkonvents bezeichnet. „Diese 163 Empfehlungen an das Land, den Bund, die Kommunen sowie an die Akteure und Kultureinrichtungen selbst werden die Kulturlandschaft und die Kulturpolitik auf Dauer verändern“, sagte er am 28. Februar bei der Abschlussveranstaltung des vom Landtag im Oktober 2011 eingesetzten Gremiums. Es seien Vorschläge, die das Verhältnis von Politik und Kultur neu bestimmen könnten. „Der Kulturkonvent war ein ganz besonderer und in der Bundesrepublik bisher einmaliger Weg, um die Kulturförderung unter die Lupe zu nehmen.“

So hatte der Kulturkonvent in den vergangenen 14 Monaten eine Bestandsaufnahme vorgenommen und auf dieser Grundlage seine Empfehlungen für das Land erarbeitet. In dem 160 Seiten umfassenden Bericht legen die 36 Mitglieder ihre Vorschläge vor für die Museen und Unesco-Welterbestätten, die Denkmalpflege, Literatur und kulturelle Bildung, den Theater- und Orchesterbereich, die bildende Kunst, Luther 2017 oder die Bibliotheken. Zwei Grundkoordinaten hätten die Mitglieder bei ihrer Arbeit begleitet, so Dorgerloh: der demografische Wandel und die zukünftigen finanziellen Rahmenbedingungen.

Als innovativ bezeichnete der Kultusminister bei der Übergabe des Abschlussberichtes im Kulturhistorischen Museum in Magdeburg die Vorschläge, einen Kooperations- und Innovationsfonds einzurichten oder Kulturregionen zu bilden. Dadurch könnten Freiräume für Neues entstehen, aber auch notwendige Strukturanpassungen vorgenommen werden. Auch zeuge es durchaus von Mut, wenn der Kulturkonvent „nachvollziehbare Ziele und transparente Qualitätskriterien als Grundlage für Förderentscheidungen“ herausstelle.
Die mittlerweile bekannteste der 163 Empfehlungen sei sicher die Erhöhung des Kulturetats von derzeit 85 auf 100 Millionen Euro. „Ein Kultusminister wünscht sich immer mehr Mittel für die Kultur, muss sich aber auch den Gegebenheiten und Realitäten stellen, die die Umsetzung einer Empfehlung wie dieser erschwerten, unterstrich Stephan Dorgerloh. Zugleich begegnete der Kultusminister dem Vorwurf, der Kulturkonvent fordere einfach nur mehr Geld. Vielmehr habe er im Gegenzug auch eigene Vorschläge unterbreitet, etwa wenn er die Einführung einer Kulturförderabgabe, die Erhöhung von Eigenmitteln und das stärkere Bemühen um Fördermittel der Europäischen Union empfiehlt.
Zudem bedankte sich der Minister bei den Beteiligten, insbesondere bei dem Moderator Olaf Zimmermann, für die engagierte Arbeit und hob das unverzichtbare Potenzial und die Gestaltungskraft der Zivilgesellschaft hervor. „Die Verantwortung für das kulturelle Erbe wird nicht schwinden, sondern Erhaltungsdruck für die kommenden Generationen sein“, zeigte sich Dorgerloh überzeugt. Mit seinen Empfehlungen habe der Kulturkonvent eine gute Grundlage für ein Landeskulturkonzept geschaffen, das nun bis zum Sommer erarbeitet werden soll. (Quelle: Pressestelle des Kultusministeriums)

Kulturelle Bildung
Unter den 36 Mitgliedern im Konvent waren die .kj) Sachsen-Anhalt sowie vier Mitgliedsverbände (Bibliotheksverband, Landesheimatbund, Landeszentrum Spiel und Theater, Landesverband der Musikschulen) und einige befreundete Organisationen vertreten. Diesen Akteuren ist zu verdanken, dass auch die kulturelle Bildung im Abschlussbericht des Konvents angemessen berücksichtigt werden konnte.

Bereits in der Präambel des Berichts wird festgestellt:

“Kulturelle Bildung und lebenslanges Lernen ermöglichen gesellschaftliche Partizipation, stärken die individuelle Selbst- und Welterfahrung und tragen zur Ausbildung von sozialen und kommunikativen Kompetenzen sowie zur Persönlichkeitsentwicklung jedes Einzelnen bei. Als Querschnittsaufgabe sind sie innerhalb und außerhalb von Schule ein integraler Bestandteil für Menschen aller Altersgruppen und bedarf verstärkter Anstrengung und Zusammenarbeit aller.

Kunst und Kultur sind ein Grundbedürfnis nach Bildung, Identifikation, Kreativität und ästhetischer Teilhabe. Kunst und Kultur können in Zeiten des politischen, gesellschaftlichen, kulturellen und medialen Wandels Werte wie Solidarität, Gemeinwohl, gesellschaftliche Teilhabe und einen identitätsstiftenden Orientierungsrahmen vermitteln.”

Neun der 163 Handlungsempfehlungen greifen die “kulturelle Bildung” direkt auf:

  • Der Kulturkonvent empfiehlt, kulturelle Bildung als Querschnittsaufgabe aller Sparten der Kultur und Bildung zu betrachten.
  • Der Kulturkonvent empfiehlt den Kultureinrichtungen, Angebote der Kultur und insbesondere der kulturellen Bildung für alle Generationen mit den jeweils spezi?schen Anforderungen und Bedürfnissen bereitzustellen, um neue Zielgruppen zu gewinnen.
  • Der Kulturkonvent empfiehlt den Kultureinrichtungen, Angebote der kulturellen Bildung für alle Generationen mit ihren jeweils spezi?schen Anforderungen und Bedürfnissen bereitzustellen, um neue Zielgruppen zu gewinnen.
  • Der Kulturkonvent empfiehlt, den Kultureinrichtungen ihr breites und kontinuierliches kulturelles Bildungsangebot aufrechtzuerhalten und ihr Engagement fortzuführen und sich zu vernetzen.
  • Der Kulturkonvent empfiehlt dem Land, die Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission Kultur in Deutschland des Deutschen Bundestages im Kapitel Kulturelle Bildung umzusetzen.
  • Der Kulturkonvent empfiehlt der Landesregierung, Bestrebungen zur Aufhebung des Kooperationsverbotes zwischen Bund und Ländern im Bereich Kultur und Bildung zu unterstützen.
  • Der Kulturkonvent empfiehlt dem Land und den Kommunen, zur Implementierung von Theater und Schule als Orte der kulturellen Bildung die qualitative und quantitative Weiterentwicklung von Projekten wie KLaTSch! und TASS und die Verbesserung der räumlichen und personellen Vor-Ort-Bedingungen in Schulen.
  • Der Kulturkonvent empfiehlt dem Land, die Einführung des Unterrichtsfachs Theater (Darstellendes Spiel) in Schulen und die entsprechende Ausbildung von Fachlehren an Hochschulen zu prüfen.
  • Der Kulturkonvent empfiehlt dem Land und den Kommunen, Angebote der kulturellen Bildung generationenübergreifend mit den jeweils spezi?schen Anforderungen und Bedürfnissen bereitzustellen.

Wichtig war auch, dass die Mitglieder des Konventes bei ihren Empfehlungen Wert auf Qualität legten und diese auch von sich selbst einforderten.

Qualitätskriterien

  • Der Kulturkonvent empfiehlt dem Land, in allen Bereichen und in Kooperation mit den Kultureinrichtungen und Kulturverbänden, möglichst unter Einbeziehung unabhängiger Expertise, regelmäßig Evaluierungen der Kunst- und Kulturförderung durchzuführen.
  • Der Kulturkonvent empfiehlt, nachvollziehbare Ziele und transparente Qualitätskriterien für alle Kunst- und Kulturbereiche festzulegen, welche die unterschiedlichen Strukturen und Besonderheiten der Sparten aufnehmen, entwickeln und mit dem Ziel de?nieren, als Grundlage von Förderentscheidungen zu gelten.
  • Der Kulturkonvent empfiehlt, die Entwicklung und den Erhalt von Qualitätsmanagementsystemen zu fördern.
  • Der Kulturkonvent empfiehlt, die vorgenannten Qualitätskriterien (S. 70f. Abschlussbericht) für kulturelle Bildung bei der Umsetzung von Maßnahmen zu beachten.

Daneben ist es nach Angaben von Axel Schneider, Geschäftsführer der Landesvereinigung kulturelle Kinder- und Jugendbildung, auch gelungen, dass neben der Struktursicherung auch Bürokratieabbau sowie Raum für Innovationen gefordert wird.

Projektförderung 7 Prozent

  • Der Kulturkonvent empfiehlt dem Land, ein ausgewogenes Verhältnis in der Aufstellung der Etats zwischen der Projektförderung und den durch Finanzierungsund Zuwendungsvereinbarungen fest gebundenen Mitteln zu gewährleisten. Die Zielgröße für eine angemessene Summe der frei verfügbaren Mittel für Projektförderung sollte perspektivisch bei 7 % des Gesamtetats für Kultur liegen.

Neue Förderinstrumente und Innovationen

  • Der Kulturkonvent empfiehlt dem Land, einen Kooperations- und Innovationsfonds beim Kultusministerium unter Begleitung eines Fachbeirates zu schaffen, um Ideen und Projekte sowie die Bildung von Netzwerken und Kooperationen zwischen Kultureinrichtungen und Kulturakteure unter- und zueinander zu befördern.
  • Der Kulturkonvent empfiehlt dem Land und den Kommunen eine Erweiterung der Förderinstrumente mit rückzahlbaren Zuschüssen oder mit zinslosen Krediten, um Zwischen?nanzierungen zu ermöglichen.
  • Der Kulturkonvent empfiehlt, den Eigenanteil der Kulturakteure und Kultureinrichtungen bei der Projektförderung zu steigern und alle Möglichkeiten zur Einnahmesteigerung auszuschöpfen. Eine Steigerung der Eigenanteile darf nicht zwangsläu?g zur Kürzung der Fördermittel führen.
  • Der Kulturkonvent empfiehlt dem Land, unter Einbeziehung der Verbände die Förderrichtlinie hinsichtlich des Antragsverfahrens, der Antragstermine und der Förderzeiträume grundsätzlich zu überarbeiten. Dazu gehört u.a. die Vereinfachung des Verfahrens, überregionale und internationale Kooperationsmöglichkeiten (vor allem mit den Partnerregionen des Landes Sachsen-Anhalt) und zeitnahe Förderzusagen.

Hilfen bei der Förderung durch die EU

  • Der Kulturkonvent empfiehlt dem Land, dass die Umsetzung von Maßnahmen im kulturellen Bereich aus den EU-Strukturfonds 2014 – 2020 in ausreichender Weise durch Mittel begleitet wird.
  • Der Kulturkonvent empfiehlt vor allem den größeren Kultureinrichtungen, Verbänden und Initiativen, sich in der nächsten Strukturförderperiode 2014-2020 intensiver um Fördermittel der Europäischen Union in
  • den Programmen EFRE, ELER und ESF, Kultur 2014 und weiteren zu bemühen. Dem Land wird empfohlen, potenzielle Antragsteller verstärkt zu beraten und im Antragsverfahren zu unterstützen.
  • Der Kulturkonvent empfiehlt dem Land, einen Ausgleichsfonds für die Vor- und Zwischen?nanzierung zu schaffen, um interessierten Kultureinrichtungen, Verbänden und Initiativen die Möglichkeit einzuräumen, EU-Mittel zu beantragen.

Akteure der Kinder-, Jugend- und Breitenkultur sowie der “freien Szene” hatten zunächst die Befürchtung, dass der sogenannten “Hochkultur”, die den Löwenanteil der Kulturförderung erhält zu viel Raum gelassen wird und dass die Belange beispielsweise der Soziokultur nicht ausreichend berücksichtigt werden. Doch es ist gelungen, neben Theatern, Orchestern und Welterbestätten die weniger kostspieligen Bereiche in den Empfehlungen zu sichern.

Anerkennung der Soziokultur

  • Der Kulturkonvent empfiehlt dem Land, die Soziokultur und soziokulturellen Zentren als kulturelle Praxis anzuerkennen und gemäß den Empfehlungen der Enquete-Kommission Kultur in Deutschland des Deutschen Bundestages „als eigenständige Förderbereiche in der Kulturpolitik (zu) identi?zieren, institutionalisieren und weiterzuentwickeln.“
  • Der Kulturkonvent empfiehlt dem Land, eine verstetigte Förderung der Soziokulturellen Zentren – nach zu entwickelnden Qualitätskriterien – insbesondere auch im ländlichen Raum durchzusetzen.
  • Der Kulturkonvent empfiehlt dem Land, die Wirkungsweise der soziokulturellen Zentren in Sachsen-Anhalt zu evaluieren. Es wird empfohlen, die soziokulturellen Zentren in die Vorhaben der kulturellen Bildung, der
  • außerschulischen und schulischen Lernorte stärker einzubinden und mit ihnen zu vernetzen.

Vernetzung für Bildungsaufgaben

  • Der Kulturkonvent empfiehlt den Bibliotheken, die Zusammenarbeit mit der Kreativwirtschaft und den anderen Kulturverbänden bei der Vermarktung digitaler Medien und in der frühkindlichen Bildung weiter fortzuführen und durch das Land zu unterstützen.

Immaterielles Kulturelles Erbe

  • Der Kulturkonvent empfiehlt, der Erhaltung und Vermittlung des immateriellen Kulturerbes besondere Aufmerksamkeit und Förderung zu widmen.

Medienkompetenz

  • Der Kulturkonvent empfiehlt dem Land und den Kommunen, zu prüfen, ob Bürgermedien geeignet sind, als Netzwerkstellen Medienkompetenz zu vermitteln und zu beraten.

Und schließlich haben Engagement, Partizipation und Beteiligungsmöglichkeiten in den Handlungsempfehlungen des Kulturkonvents Eingang gefunden:

Bürgerschaftliches Engagement / Freiwilligendienste

  • Der Kulturkonvent empfiehlt, die Einsatzstellen im Bereich des FSJ-Kultur beizubehalten und um geeignete Einsatzstellen zu erweitern. FSJ-Stellen dürfen nicht als Ersatz für hauptamtliche Stellen dienen.
  • Der Kulturkonvent empfiehlt dem Land und den Kommunen, die Formen der Anerkennung (Anerkennungskultur) für das Bürgerschaftliche Engagement zu verbessern.
  • Der Kulturkonvent empfiehlt den Kultureinrichtungen eine stärkere Öffnung für das Bürgerschaftliche Engagement, ohne dabei hauptamtliche Stellen zu gefährden.
  • Der Kulturkonvent empfiehlt, Engagementbotschafter Kultur ins Leben zu rufen, die am Tag des Ehrenamts für ein Jahr durch den Kultusminister benannt werden.

Jugendbeiteiligung

  • Der Kulturkonvent empfiehlt Land und Kommunen, kulturelle Projekte besonderes zu fördern, die auf Initiative von Jugendlichen zurückgehen.
  • Der Kulturkonvent empfiehlt dem Land, insbesondere bei den bevorstehende Landesjubiläen (Luther 2017, Bauhaus 2019) auch jugendspezi?sche Angebote anzubieten.
  • Der Kulturkonvent empfiehlt Land und Kommunen, die aktive Ansprache und Einbindung von Jugendlichen in die Kulturarbeit.

Kritisch ist aber schließlich anzumerken, dass die Agenda des Arbeitsauftrages des Kulturkonvents (Landtagsbeschluss vom 9.9.2011) nicht wirklich abgearbeitet wurde – trotz 32 Sitzung im Plenum und in Arbeitsgruppen. An eine “Neubestimmung grundlegender Ziele der Landeskulturpolitik” wagte sich der Konvent ebenso wenig wie an die Details der “Struktur der Finanzierung“. Hier hat das Kompromiss- und Konsensprinzip wirklich mutige Entscheidungen, die der Moderator in seinem Vorwort konstatiert, überlagert. Die meisten der 163 Empfehlungen tun niemand wirklich weh und definieren leider auch nicht, wo und wie das Land “in die Pflicht” genommen werden kann, bestimmte Aktivitäten zu fördern oder aber dies sein zu lassen. Hier ist zu hoffen, dass in der Folge das Landeskulturkonzept mehr Mut aufbringt.

 

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