Das Ende der Flucht?!

DAS ENDE DER FLUCHT?!
Unsere ersten Jahre in Deutschland– eine fotodokumentarische Ausstellung

Die Ausstellung »Das Ende der Flucht?! Unsere ersten Jahre in Deutschland« ist das Ergebnis einer fotodokumentarischen Recherche über die Ankunft und die ersten Jahre geflüchteter Menschen in Sachsen-Anhalt.
Chancen und Schwierigkeiten nach gelungener Flucht werden anhand einzelner Erfahrungen beleuchtet. Die Protagonist:innen aus Syrien, Afghanistan und dem Iran erzählen sehr persönlich von ihrem bisherigen Leben in Deutschland, von Neuanfängen und Erfolgen, von Rassismus und Bürokratie, von ihren Zielen und Träumen.
Ziel der Ausstellung ist Vermittlung. Vermittlung und Teilhabe an Worten, Gefühlen und Erfahrungen. Die Texte und Bilder laden ein, innezuhalten, miteinander ins Gespräch zu kommen, neue und gemeinsame Wege zu finden und zu gehen.

Bei den hier vorliegenden Texten handelt es sich um Auszüge aus wortgetreuen Transkriptionen. Zur besseren Lesbarkeit wurden die Interviews wörtlich transkribiert, jedoch stand der Inhalt im, Vordergrund und Wiederholungen, Einwürfe, Pausen und Verständnissignale wurden zum großenTeil nicht transkribiert.

Die Ausstellung kann noch bis zum 27. November 2022 im
Tacheles in Magdeburg(Sternstraße 30 | 39104 Magdeburg)
besucht werden.

Aktuelle Öffnungszeiten siehe hier

Die Protagonist*innen

»Redewendung«

Masoumeh Ahmadi und Jalal Hosseininezhad © N. Pruß

Masoumeh Ahmadi und
Jalal Hosseininezhad

»Hier bin ich immer ganz frei,
was ich malen kann oder will,
was in meinem Kopf ist,
oder in meinem Herzen.«
– Masoumeh

Ich bin Masoumeh, 38 Jahre alt und stamme aus dem Iran. 2017 bin ich nach Deutschland
geflüchtet. Im Iran war ich Erzieherin. Außerdem mache ich viel Kunst.
Ich bin Jalal, ebenfalls 38 Jahre alt, aus dem Iran und seit 2017 hier. Dort habe ich BWL
studiert und in einer Ölfirma gearbeitet. Jetzt arbeite ich in der Buchhaltung beim
Schulbegleitdienst der Malteser.

Was mir hier geholfen hat:
Jalal
Die ersten, die uns geholfen haben, waren Kirchen und Gemeinden, immer. Ich bin
damals mit einem französischen Visum nach Europa geflohen und Dublin III sagt: »Frankreich,
du hast Jalal Visum gegeben, musst du also die Verantwortung übernehmen.« Die Praxis in
Deutschland war damals aber, dass wenn man sechs Monate in einer Kirche in Deutschland
bleibt, übernimmt Deutschland übernimmt die Verantwortung. Also war ich sechs Monate in
einer amerikanischen Gemeinde in Halle (Saale). So habe ich tatsächlich meinen Aufenthalt
bekommen, aber sie haben mir keine Möglichkeit gegeben, Deutsch zu lernen. Damals gab es
aber die Möglichkeit, am Institut für Deutsche Sprache und Kultur in Halle als Ausländer ohne
Aufenthaltstitel Deutsch zu lernen. Das war ein Weg zu studieren. Das war einmal, nur einmal
kostenlos und da habe ich Deutsch gelernt.
Ansonsten hat mir die Agentur für Arbeit sehr geholfen. Die Leute, die noch keinen
Aufenthaltstitel hatten, wurden direkt gefördert von der Agentur für Arbeit. So konnte ich eine
Kaufmännische Industrieweiterbildung, bekommen.

Masoumeh Auch mir haben die Kirchen als erstes geholfen. Als ich nach Deutschland

gekommen bin, war ich in unterschiedlichen Unterkünften in Sachsen-Anhalt. Ab August 2017
war ich in Burg, da habe ich einen Pfarrer kennengelernt, er ist sehr nett, wie meine Familie,
wirklich, hat so viel mir geholfen in allen Bereichen. Ich war in Duldung und durch ihn habe
ich auch Mieste getroffen und so einen guten Kontakt zur .lkj) Sachsen-Anhalt aufgebaut.
Der Pfarrer hat mich sehr unterstützt und dann war der Anfang sehr gut für mich, er hat sehr
geholfen.
So viel Hilfe haben wir von den verschiedenen Gemeinden bekommen und ich habe auch
von der .lkj) so viel Hilfe bekommen. Ich habe viele andere Künstlerinnen und Künstler
kennengelernt und so viel Unterstützung bekommen. Ich habe auch im Iran viel Kunst gemacht,
aber hatte viele Probleme. Hier bin ich immer ganz frei, keine Probleme, was ich malen kann
oder will oder mit welchem Material, mit welcher Technik. Was ist in meinem Kopf, was ist in
meinem Herzen – kein Problem. Das ist nicht nur ein Hobby, es ist ein großer Teil von meinem
Leben.
Meine Erfahrung mit den Behörden: Ich war in Burg, ich habe gute Kontakte dort mit Agentur
für Arbeit gehabt, ich habe gute Hilfe bekommen, eine Mitarbeiterin hat uns so viel geholfen,
mir und meinem Sohn auch. In Magdeburg im Jobcenter auch, ich habe einmal mit einer
Beraterin gesprochen und habe gute Beratung bekommen, ja, ich bin sehr zufrieden.

Jalal Es war Schicksal, dass ich nach Magdeburg gekommen bin: Ich wollte studieren, hatte
die Zulassung an der Martin-Luther-Universität Halle, aber konnte C1 nicht schaffen, ich weiß
nicht warum, von A1 bis B2 habe ich alles in neun Monaten geschafft und C1 einmal, zweimal,
dreimal, viermal, oh Gott, durchgefallen. Dann wurde ich zu einer Party eingeladen vom Institut
für Deutsche Sprache und ich dachte alle Mitschüler seien auch dort, aber ich war alleine. Da
wurde ich gefragt: »Warum möchtest du studieren? Du hast Bachelor, der ist auch anerkannt
in Deutschland, du bist ein bisschen alt, 35 Jahre alt und es gibt keinen großen Unterschied
zwischen Bachelor und Master.« Oh Gott, ich habe mich bemüht, um alles zu bekommen und
jetzt sollte es doch nicht klappen. »Okay, was soll ich machen?« – »Finde eine Weiterbildung.«
Nur wegen einer Party, wurde mein Weg ganz anders. Aus Studium wurde Weiterbildung.
Auf einer Jobmesse habe ich dann eine Weiterbildung gefunden. Das war Schicksal. Als ich
dann die Weiterbildung abgeschlossen habe, ist Corona gekommen und ich habe überall
Bewerbungen geschickt, über 1.500 insgesamt, außer in Magdeburg. Der Grund war, dass
ich in Halle war, muss man ehrlich sagen. Ich kannte Deutschland nicht und mir war völlig
egal, wo in Deutschland, Potsdam, West, Ost, irgendeine Stadt, war egal, aber ich habe
nie schöne Sachen über Magdeburg gehört als ich in Halle war. Also habe ich mich nicht in
Magdeburg beworben. Aber Gott sei Dank, ich bin zufrieden mit meinem Schicksal, dass ich
jetzt in Magdeburg bin. Durch einen Freund habe ich dann nämlich Masoumeh kennengelernt
und dann hat sie mir eine E-Mail-Adresse von Maltesern gegeben. Ich habe mich bei den
Maltesern beworben. Meine erste Bewerbung in Magdeburg, ich wurde eingeladen und habe
den Job bekommen und arbeite jetzt seit einem Jahr bei den Maltesern. Mein Schicksal waren
Magdeburg und Masoumeh. Das ist interessant, wir haben am gleichen Tag, am 10. Februar
2017, unser Land verlassen und waren dann beide in Sachsen-Anhalt, aber haben nie uns
getroffen. Wir haben uns in Deutschland kennengelernt letztes Jahr, 2021, nur durch einen
Freund.

Was anders hätte laufen sollen:
Jalal Wenn ein Ausländer nach Deutschland kommt, die erste Herausforderung ist Sprache.
Ich weiß nicht, aber zum Beispiel im Krankenhaus sind normalerweise ausgebildete Leute,
entweder Ärzte oder Krankenschwester, Krankenpfleger und so weiter, und das kann ich nicht
verstehen, die verstehen kein Englisch oder wollen kein Englisch sprechen oder so. Als ich nach
Deutschland gekommen bin, in der ersten Woche, musste ich ins Krankenhaus in Halberstadt
und ich konnte nicht meine Meinung sagen.

Masoumeh Die Sprache ist das große Problem in Deutschland für alle Ausländer – außer für
Kinder, Kinder lernen ganz einfach und schnell, aber für uns war es ein großes Problem. Und
in Deutschland darf man ohne Aufenthaltsgenehmigung keinen Deutschkurs besuchen. Das
ist auch ein großes Problem, dann ist es sehr schwierig mit den ersten Schritten, mit dem
Kontakt. Wie kann man mit anderen sprechen und Freunde finden? Und in Deutschland sind
Steuern ein großes Thema, wir sollen arbeiten und Steuern zahlen, aber ohne Sprache ist das
sehr, sehr schwierig. Und für mich ist die große Frage: Warum dürfen wir nicht? Wenn viele im
ersten Schritt Deutsch lernen, können sie viel besser helfen, besser arbeiten. Jetzt sind viele
im Flüchtlingsheim, müssen immer dort bleiben, ohne Arbeit, ohne Geld und das belastet
Deutschland.

Jalal Ja, Ich war für drei Tage in einem kleinen Heim der Malteser in Oschersleben und die
meisten der Leute waren geduldet, keine Perspektive, keine Möglichkeit. Essen, schlafen,
essen, schlafen. Alle depressiv und keine Perspektive, warum? Ey, das ist nicht nachvollziehbar
für mich. Und das belastet Deutschland, denke ich mir. Sie kriegen Geld, egal ob viel oder zu
wenig, auf jeden Fall bekommen sie Geld, aber keine Möglichkeiten.
Vor meiner Weiterbildung habe ich eine Möglichkeit gefunden, einen sehr guten Arbeitsplatz,
aber ich hatte keine Arbeitserlaubnis, also musste ich von der Ausländerbehörde eine
Arbeitserlaubnis bekommen. Die Ausländerbehörde Merseburg hatte damals einen Chef, der
hat mir keine Erlaubnis gegeben zu arbeiten, mit einem Lächeln und habe ich gefragt »Warum?
Ich möchte arbeiten.«, hat er mir gesagt: »Bleib zuhause, krieg Geld und mach dir keine
Sorgen.«
Später im Jobcenter war es ähnlich. Die Agentur für Arbeit hatte mir die Weiterbildung bezahlt.
Dann hatte ich Aufenthaltsgenehmigung und jetzt im Jobcenter: »Ist egal, bleib zuhause, mach
dir keine Sorgen, kriegst du Geld, warum suchst du nach Arbeit? Bleib zuhause.« Richtig, ich
habe Geld gekriegt vom Jobcenter, aber das war nicht mein Wunsch, ich wollte arbeiten.

Masoumeh Mein Sohn hat so viele Probleme hier in Deutschland, er ist 18 Jahre alt, er
macht eine Ausbildung hier, aber er hat keine Aufenthaltsgenehmigung. Er ist mein Sohn,
aber trotzdem hat er keine. Und wir hatten so viele Probleme wegen der Wohnung, er durfte
keine eigene Wohnung haben. Durch meinen Aufenthaltstitel durften wir dann endlich diese
Wohnung mieten und mein Sohn sagte mir: »Mama, warum sind wir in Deutschland? Wir hatten
alles in Iran: Wohnung, Auto, wir haben keins in Deutschland. Warum sind wir hergekommen?«
Ich habe keine Antwort für meinen Sohn, er versteht nicht so viele Sachen und ich will nicht
erzählen. Ich hatte so viele Probleme in Iran.

Was ich mir für die Zukunft wünsche:
Jalal Derzeit möchte ich eine andere Weiterbildung bei der IHK machen, das geht auch online
und das muss ich selbst besorgen, das kostete jeden Monat 100€, aber egal, ich möchte mich
jeden Tag verbessern.
Und es ist mein Wunsch, dass irgendwann, wenn die Situation in Iran besser ist, eine gute
Verbindung zwischen Deutschland und Iran sein kann. Eine gute Verbindung zwischen
Jugendlichen in Iran und Deutschland, auch Möglichkeiten in Deutschland für Jugendliche und
dann zurück nach Iran. Ich bin fast zu alt, 38 Jahre alt, ich bleibe auf jeden Fall in Deutschland.
Für Jugendliche, das ist mein Wunsch, dass sie mein Land wieder neu aufbauen. Ich bleibe
hier, aber ich möchte eine Möglichkeit für andere finden. Und das ist machbar, hoffentlich.

Masoumeh Ich möchte eine Weiterbildung im sozialen Bereich machen. Mein Ziel war, als
Erzieherin etwas zu machen, weil ich habe in Iran fünf Jahre als Erzieherin gearbeitet, also war
das erste Ziel für mich, eine Weiterbildung im Bereich Erziehung zu finden, um vielleicht in
einem Kindergarten zu arbeiten. Jetzt arbeite ich seit einiger Zeit in einer Migrationsberatung
und ich sehe so viele Leute, besonders so viele Frauen, die so viele Probleme haben und
wirklich Hilfe brauchen. Also habe ich mein Ziel geändert. Viele Leute können mit Kindern
arbeiten, aber viele können oder wollen nicht in Bereich Migration. Das ist für mich eine gute
Option, denn ich kann die Probleme gut verstehen.

Jalal Wirklich, unser großer Wunsch ist, unsere Familie nochmal zu besuchen.
Ich bin ein Papa-Kind, habe immer gesagt »Ich bin ein Auto und mein Papa ist mein Benzin.«
In Iran leben meine Eltern in Isfahan und ich habe in Teheran gearbeitet, 500 Kilometer
Entfernung, aber alle zwei Wochen bin ich hin und zurück. »Mein Papa, mein Benzin« habe ich
gesagt. Und seit fünf Jahren haben wir nur durch WhatsApp und so Kontakt, können uns nicht
umarmen oder anfassen. Und wenn sie im Krankenhaus sind, eh, ist nicht leicht. Und dann sind
meine Gedanken: »Komm zu mir, ich möchte das nicht, aber komm zu mir.« Was ist, wenn sie
sterben …?
Ich hatte eine Lehrerin, deutsche Lehrerin, und sie sagte immer »la vita è bella« – das Leben ist
schön, aber hart… Jeder hat ein Schicksal und manchmal ist es nicht schön.

»Seitenwechsel«

Amer al-Shwekani © N. Pruß

Amer al-Shwekani

»Ich bin ein Teil der Magdeburger Gesellschaft und auch ein Teil
der deutschen Gesellschaft.«

Ich bin Amer, bin 31 Jahre alt und stamme aus Syrien. Dort habe ich BWL studiert und
zuletzt als Operation Manager bei Western Union gearbeitet. 2015 bin ich als
Geflüchteter nach Deutschland gekommen. Hier habe ich entschieden, nur noch für
soziale Organisationen zu arbeiten. Jetzt bin ich Verwaltungsleiter im Familienhaus.

Was mir hier in Deutschland geholfen hat:
Durch die Situation in meiner Heimat war mir von Anfang an klar, dass ich mich hier integrieren
muss und verstehen muss, wie diese Gesellschaft funktioniert. Daher war ich entschlossen,
die deutsche Sprache zu verstehen und alle Leute kennenzulernen, die helfen wollen und die
Chance geben, sich zu integrieren. So habe ich versucht, auf möglichst viele Veranstaltungen
zu gehen und viele Leute kennenzulernen.
Ich habe auch am Anfang im Flüchtlingsheim als spontaner Dolmetscher von Arabisch auf
Englisch gearbeitet und daher habe ich Kontakt zum Beispiel mit Deutsches Rotes Kreuz
und auch mit anderen Personen. Und durch dieses Netzwerk hatte ich die Chance, ein erstes
Projekt in Litauen mitzumachen. Das war ein Jugendaustauschprojekt zum Thema Migration
namens »Forced to move« über Leute, die ihre Heimat wegen Krieg und aus anderen Gründen
verlassen mussten. Das war der erste Kontakt zu vielen jungen Menschen und Sozialarbeitern
aus verschiedenen Ländern in Europa, Deutschland, Kroatien, Ukraine und von da an ist mein
Netzwerk immer größer geworden. Bei diesem Projekt gab es dann ein Nachfolgeprojekt
in Magdeburg und da habe ich mir gesagt: Ja, dann ist alles möglich, also hier mein Leben
nochmal anzufangen und mich zu integrieren. Deshalb hat mir das auch einen Push nach vorne
gegeben.
Abgesehen davon, habe ich vergleichsweise viel Glück mit den bürokratischen Prozessen
gehabt. Meinen Asylantrag konnte ich schon nach zwei oder drei Monaten stellen, das hat in
anderen Städten viel länger gedauert, in Stuttgart ungefähr sechs bis neun Monate.
Und auch der Nachzug meiner Freundin, mittlerweile Frau, hat gut funktioniert. Es gibt
so eine Variante zum normalen Familiennachzug: Ich kann sagen, ich unterschreibe eine
Verpflichtungserklärung bei der Ausländerbehörde, dass ich für fünf Jahre zuständig bin für
meine Frau, sie also keine Leistungen von Jobcenter oder woanders beantragen kann, ich muss
unser Leben ganz alleine finanzieren für fünf Jahre und wir müssen in Deutschland heiraten,
wir dürfen nicht schon verheiratet sein. Da ich meine Freundin nach Deutschland holen wollte,
habe ich das gemacht und wir haben geheiratet in Deutschland.
Ansonsten habe ich natürlich viele gute Bekannte, die immer helfen und unterstützen und habe
eine gute Position auf der Arbeit und ich sehe mich als Teil, ich bin ein Teil der Magdeburger
Gesellschaft.

Was ich mir anders gewünscht hätte:
Also für mich, ganz ehrlich, mich hat es gewundert, wie beispielsweise in Behörden wie
Ausländerbehörde, die mit fremden Leuten arbeiten muss oder mit Ausländern arbeiten
und die Anträge bearbeiten muss, und sie sprechen zum Beispiel kein Englisch, das war ein
komisches Fragezeichen. Und es war am Anfang echt schwierig für uns, jemanden zu finden,
der als Dolmetscher mitkommt. Und auch die Prozesse waren wirklich langsam am Anfang.
Kann ich verstehen, weil es gab viele Menschen, die zu diesem Zeitpunkt nach Deutschland
gekommen sind, ja, aber trotzdem hatte ich das Gefühl, dass es wenig Vorbereitung gab für
die Sachen, die wichtig sind und viel für die unwichtigen, dass also vielleicht die Kraft in eine
falsche Richtung war am Anfang.
Auch ein großes Problem war und ist für uns alle die viele Bürokratie und damit die
Wartezeiten. Zum Beispiel die Einbürgerung in Magdeburg dauert mindestens zwei Jahre, viele
Leute sind in andere Städte umgezogen, nur wegen dieses Antrags. Man muss es ja nicht in
einem Monat schaffen, aber eben auch nicht in mindestens zwei Jahren.
Das zweite große Problem waren Klischees über uns, die nicht stimmten, zum Beispiel das
Bildungsniveau, die Kultur und viel mehr, also wir sind nicht gut ausgebildet, wir leben
in Desert mit Kamelen. Zum Beispiel war eine der ersten Fragen von unserem Lehrer im
Integrationskurs »Habt ihr Autos?« Wie kannst du mit Leuten jeden Tag etwas lernen und du
hast keinen Hintergrund, wer die sind? Klischees waren auch zum Beispiel, dass wir kommen,
die Frauen nicht respektieren, wir nicht aufgeschlossen sind, Neues zu lernen, wir nicht mit
anderen Glauben und Religionen leben wollen, das waren alles Klischees. Das war sehr
schwierig am Anfang, der Blick, den die Leute über uns hatten, das war unfair. Die Leute
sehen nicht, wer wir waren, wer wir sind. Sie denken von meinem Profil, meiner Farbe, meiner
Herkunft, dass ich nicht gut als Person bin und ich bin immer schuldig.
Im Flughafen, zum Beispiel, wenn ich nach Griechenland oder Mallorca fliegen möchte, die
Leute gucken komisch und manche sagen »Ja, von unserem Geld gehen die in Urlaub« und sie
schauen nicht, wie wir leben: Ich arbeite ungefähr 46 Stunden pro Woche und ich habe viele
Überstunden gemacht und ich verdiene wenigstens eine Woche Urlaub von meinem Geld,
von meiner Arbeit, von meiner Zeit! Aber die Leute denken immer noch, nach sieben Jahren
denken die Leute immer noch, dass jeder Ausländer, jeder mit anderem Aussehen nimmt Geld
vom Jobcenter.
Es gibt viele Geschichten, das kannst du dir nicht vorstellen. Ich habe einen Nachbarn, der viel
zuhause ist und meine Pakete kommen immer zu ihm, wenn ich nicht zuhause bin und dann,
wenn er mir das Paket gibt, sagt er »Ja, ich habe eine Bombe für dich.« Oder: »Du bereitest
eine Bombe vor, du bekommst so viele Pakete.« Das Problem ist, dass er es nicht als Hate
Speech meint, er denkt, dass er Spaß macht, das aber tut weh. Er denkt, dass er mit mir Spaß
macht, dass ich eine Bombe vorbereite, aber er kann nicht verstehen, das wirklich tut mir weh.
Einmal hat er das im Allee-Center gesagt: »Ach, ich habe nochmal Bombe für dich«…

Was ich mir für die Zukunft wünsche:
Ich habe mein Leben in Deutschland schon begonnen, mit vielen Schwierigkeiten, aber
auch mit vielen guten Sachen. Ich wünsche mir für die Zukunft, dass die Schwierigkeiten, die
mich getroffen haben, nicht auch meine Kinder treffen. Dass wir einen Punkt erreichen in der
deutschen Gesellschaft, dass alle Leute gleich sind – ohne Hate Speech, ohne Rassismus. Dass
meine Kinder die gleiche Chance kriegen und nicht beispielsweise bei einem Job abgelehnt
werden nur wegen der Farbe oder Name oder Nachname oder Hintergrund. Jetzt sind bereits
Kinder geboren von den Leuten, die 2015 nach Deutschland gekommen sind und sie sind
jetzt ein Teil der Gesellschaft, der Kindergesellschaft. Und ich hoffe, dass sie in Zukunft keine
rassistischen Situationen in der Schule treffen, damit das ihre Motivation nicht umbringt.
Ich als Person hoffe, dass ich in Zukunft in meinem Job noch erfolgreicher bin, dass ich
vielleicht mal eine soziale Organisation führen kann oder zumindest auch mehr in die
Sozialarbeit einsteigen kann. Weil ich keinen sozialen oder sozialpädagogischen Abschluss
habe, konnte ich nicht als Sozialarbeiter arbeiten, deshalb habe ich entschieden, nur in sozialen
Organisationen zu arbeiten. Eine möglichst schnelle Einbürgerung wäre auch gut. Und auch,
dass meine Frau ihren Weg in Deutschland findet. Sie hat in Syrien Zahnmedizin studiert und
als Zahnärztin gearbeitet, ich hoffe, dass sie ihren Weg hier findet.
Ich wünsche mir außerdem mehr Offenheit in der Gesellschaft, dass die Leute sachlicher und
menschlicher werden und sehen, dass es klare Gründe für unsere Flucht gibt. Ich möchte
auch nicht pessimistisch sein. Das hat sich etwas geändert und der Kreis ist größer geworden
von den Leuten, die auch Flüchtlinge kennengelernt haben und die Klischees überwunden
haben. Aber es müssen noch mehr werden. Vielleicht geben solche Projekte wie dieses der
Gesellschaft auch eine Chance, dass die Leute uns kennenlernen und mehr aufgeschlossen zu
uns werden.

»Nachbarschaft«

Hafez und Eleanor Chaban © N. Pruß

Hafez Chaban

»Meine Einweihungsparty, habe ich alle eingeladen und alle sind
gekommen, das komplette Haus war bei mir in der Wohnung.«

Ich bin Hafez, 38 Jahre alt und stamme aus Damaskus in Syrien. Ich bin 2015 als
Geflüchteter nach Deutschland gekommen. Seitdem habe ich hier wieder angefangen, als
Innenarchitekt zu arbeiten, habe den Syrisch-Deutschen Kulturverein mitgegründet und
betreibe mit meiner Frau den Catering- und Event-Service RUFA.
2018 ist unsere Tochter Eleanor hier geboren.

Was mir in Deutschland geholfen hat:
Am Anfang hat uns viel geholfen, dass wir uns bemüht haben, viele Sachen zu entdecken,
erstmal auch die Sprache zu lernen. Wir waren sehr fleißig sozusagen, jeden Tag in der Schule
für ein Jahr. Es hat aber geholfen, dass wir gut Englisch sprechen konnten. So konnten wir mit
den Leuten kommunizieren, auch wenn viele Leute in Magdeburg kein Englisch können, hat es
irgendwie geklappt. Es ist nicht einfach, neue Sprache, komplett neue Kultur kennenzulernen.
Dabei hat auch die Stadt sehr geholfen, die Unterstützung, die wir erhalten haben. Die Stadt
war sehr gut organisiert.
Auch war uns wichtig, schnell viele Freunde und Bekannte kennenzulernen, mit Leuten zu
sprechen. Die Sprache ist sehr schwer zu lernen, da brauchten wir Unterstützung, wir hatten
viele Fragen. Deshalb hatten und haben wir immer noch einen guten Freundeskreis, die waren
auch immer dabei bei Schwierigkeiten. Auch mit den Nachbarn haben wir uns immer gut
verstanden, die waren immer nett. In meiner alten Wohnung, die Nachbarn waren alle jung
und Studenten. Der Altersunterschied nicht so groß, also haben wir immer zusammen gefeiert,
Geburtstage oder große Feiern oder meine Einweihungsparty. Ich habe alle eingeladen und
alle sind gekommen, das komplette Haus war bei mir in der Wohnung. In der neuen Wohnung
sind die meisten ein bisschen älter, aber wir haben niemals Schwierigkeiten, alle sind nett. Wir
tauschen manchmal Essen oder Süßigkeiten oder so. Wenn wir etwas kochen, dann klopfe ich
manchmal einfach und die Nachbarn freuen sich.
Die Leute von den Behörden waren immer okay, also waren immer nett und verständnisvoll,
dass wir nicht so perfekt sprechen konnten, haben dann auch immer wieder Sachen gut erklärt.
Gut war auch die Gründung des Syrisch-Deutschen Kulturvereins 2020. Der ist aus einem
erfolgreichen Projekt für einen Kulturwettbewerb zur Kulturhauptstadtbewerbung 2025
Magdeburgs, der Syrischen Kulturschule, entstanden und sollte auch die Sichtbarkeit von uns
und unserer Kultur in der Stadt stärken und den Dialog fördern. Die Magdeburger sollten auch
uns kennenlernen.
Für die Gründung unseres familiären Catering- und Dekorationsbetriebs RUFA Events-Catering
habe ich auch viel Hilfe bekommen.
Auch sehr geholfen hat die Möglichkeit, schnell ein Praktikum zu machen und dann Teilzeit in
der Firma arbeiten zu können. Wenn ich Probleme habe, frage ich die Freunde auf der Arbeit,
die sind wie eine Familie für mich. Die sind immer dabei, die helfen gerne, also ja, nach fünf
Jahren sind wir wie eine Familie. Man bekommt auf der Arbeit bestimmt auch Probleme, wenn
man nicht so fleißig ist, nicht so nett ist oder auch nicht so mutig ist. Aber ich mache alles sehr
gerne, ich bin immer hilfsbereit bei allen Sachen, versuche auch immer bei kleinen Sachen,
bei Geburtstagen auf der Arbeit mitzumachen. An meinem Geburtstag gebe ich immer
syrisches Essen aus. Durch Essen, kann man sagen, ist auch ein einfacher Weg, mit Leuten zu
kommunizieren.

Was hätte anders laufen sollen:
Überall gibt es Schwierigkeiten, hier und in Heimat, aber für uns war und ist wichtig bis jetzt die
Familie. Das mit der Familie ist hier nicht so gut organisiert: Wir können zum Beispiel nicht in
die Heimat reisen. Ich habe meine Familie jetzt seit zehn Jahren nicht mehr gesehen und das ist
nicht gut, nicht für mich, für niemanden. Deswegen sage ich, dass sich da etwas ändern muss.
Klar, man kann sich in einem anderen Land treffen, aber das ist für alle zu teuer.
Auch haben wir jetzt nach sieben Jahren die Staatsbürgerschaft beantragt und die Bearbeitung
wird mindestens 24 Monate dauern und ich finde, es macht keinen Sinn, mehr als 24 Monate
darauf warten zu müssen. Und ich verstehe, dass viele Menschen das gleiche wollen, aber wir
brauchen es trotzdem, wir brauchen den Reisepass, das ist für mich die einzige Möglichkeit,
meine Familie zu sehen. Wir haben zwar unsere Travel Documents, mit denen wir in Europa
überall reisen können, aber ich darf nicht in die Heimat, nicht mal in die Nähe meiner Heimat.
Warum? Ich fühle mich wie in einem kleinen Gefängnis hier, warum? Zumindest ein bisschen
Reisen und die Familie sehen, da muss es doch bestimmt Lösungen geben. Vielleicht können
die Deutschen nicht verstehen, warum das so wichtig ist für uns, aber es ist wichtig für uns. Als
erster Grund vor allem Familie, damit das mit der Familie treffen. Und als zweiter Grund, dass
wir jetzt zu diesem Land gehören. Nach sieben Jahren jetzt in Deutschland, ich arbeite seit
sechs Jahren, ich brauchte nur ein Jahr, um die Sprache zu lernen und jetzt bin ich sofort auf
der Arbeit und bezahle Steuern und für die ganze Familie. Wir gehören zu diesem Land, wir
verdienen es, die Staatsbürgerschaft zu bekommen.
Und viele Menschen, gute Menschen, ziehen weg von Magdeburg wegen dieser Geschichte,
weil es so lange dauert. In Berlin oder anderen großen Städten ist klar, dass es zu viel Zeit
braucht, aber Magdeburg ist eine kleine Stadt. Wenn man eine Anfrage, einen Antrag oder
einen Auftrag bekommt, bearbeitet man das doch so schnell wie möglich. Vielleicht nicht
am gleichen Tag, drei, vier Tage, okay, vielleicht auch ein paar Wochen, aber mindestens 24
Monate sind einfach zu lang.

Was ich mir für die Zukunft wünsche:
Zurzeit habe ich gar nichts zu wünschen außer dieser Geschichte mit der Staatsbürgerschaft.
Andere Sachen sind okay, also sind ein bisschen schwer, aber man kann immer nach Hilfe
fragen und Unterstützung bekommen. Die Zukunft sehe ich wie jetzt: Arbeiten, vielleicht
nachher, wenn die Situation besser wird, meine Familie hierher zu bringen, zumindest meine
Mutti und Vater, vielleicht gibt es eine Möglichkeit. Ich hoffe, dass diese Regeln mit Visum und
Anträge ein bisschen gelockert werden. Ansonsten gar nichts. Wenn man mich vor zwei oder
drei Jahren fragte: »Wie siehst du deine Zukunft?“, dann sage ich jetzt: »Wie jetzt.“ Ich habe
alles, was ich brauche, also Gesundheit, Familie, viele Sachen, die ich mir auch in der Heimat
gewünscht habe. Jetzt ist Magdeburg unsere Heimat.

»Weiterkommen«

Effat Haidari © N. Pruß

Effat Haidari

»Keine Angst,
in Deutschland keine Angst.«
– Assad Haidari

Ich bin Effat, 31 Jahre alt und stamme aus Afghanistan. Gemeinsam mit meinem Mann
Assad und meinem Sohn Amir bin ich 2015 nach Deutschland geflohen. Mein zweiter
Sohn, Ali, ist 2017 hier geboren. In Afghanistan war ich Literaturlehrerin. Seit 2021
arbeite ich als Pflegeassistentin und ich möchte eine Pflegeausbildung machen.

Was mir hier in Deutschland geholfen hat:
Am Anfang hatte ich nur etwas Angst wegen der Sprache. Ich konnte nicht so gut sprechen –
naja, gar nicht sprechen – aber ein bisschen Englisch, das hat geholfen. Jetzt habe ich Deutsch
gelernt und mein Englisch ist weg vom Kopf.
Wir hatten am Anfang in der alten Wohnung sehr nette Nachbarn, die uns geholfen haben, uns
hier einzuleben. Da konnten wir noch nicht so gut Deutsch sprechen, aber irgendwie konnten
wir uns verstehen. Das ist auch hier noch so, hier haben wir auch nette Nachbarn. Oben wohnt
eine ältere Frau, sie kommt manchmal zu mir und kauft manchmal Geschenke für die Kinder.
Auch die Behörden haben uns viel geholfen. Wir hatten eine Migrationsberatung, die hat
uns viel geholfen, dass wir uns hier zurechtfinden konnten und zusammen haben wir auch ein
bisschen Deutsch gelernt, wenn ich da hingegangen bin, wenn sie frei hatte.
Vereine haben mir auch viel geholfen. Ich habe an vielen Workshops und Seminaren
teilgenommen.
Ich finde Deutschland eigentlich gut – also für Frauen find ich es besser. Frauen hier haben
schon Sicherheit und Freiheit, hier die Frauen können immer und egal wann alleine rausgehen.
Ich bin jetzt vier, fünf Mal mit Freundinnen nach Halle gefahren, nach Dessau gefahren, haben
dort zwei, drei Tage übernachtet, ohne Kinder, ohne Männer, das finde ich sehr gut. Und das ist
eine gute Erfahrung hier in Deutschland. Und für Kinder ist es auch gut, sie haben eine Zukunft
hier.

Was lieber hätte anders laufen sollen:
Naja, eigentlich ist alles gut gelaufen außer das mit der Arbeit und Ausbildung. Am Anfang,
als wir hier nach Deutschland gekommen sind, hatten wir keine Schule, keinen Integrationskurs.
Ein Jahr habe ich selbst zu Hause mit dem Handy etwas gelernt und dann bin ich schwanger
geworden und konnte nicht zur Schule. Dann bin ich zum Integrationskurs gegangen, da habe
ich drei Monate Deutsch gelernt, dann habe ich mein B1-Zertifikat gemacht, dann wollte ich
meine Ausbildung machen, aber überall gab es keine Ausbildung mit diesem Zertifikat, da
müsste ich B2 haben. Dann bin ich wieder zum Deutschkurs gegangen, habe das B2-Zertifikat
bekommen. Dann habe ich meine Wunschausbildung als Krankenschwester trotzdem nicht
bekommen, bis jetzt. Wenn ich eine Ausbildungsstelle gefunden hätte, zum Beispiel vor drei
Jahren, es wäre jetzt vorbei und ich könnte normal arbeiten. Einmal, das ist meine schlimmste
Erfahrung in Deutschland, habe ich eine Praktikumsstelle wegen meines Kopftuchs nicht
bekommen. Wir haben telefonisch alles erzählt, die haben gesagt »Ja, wir suchen Praktikanten,
du kannst mit allen Zeugnissen, allen Dokumenten zu uns kommen, dann sprechen wir
darüber.« Als ich da war, haben sie gesagt, dass ich mit Kopftuch bin und haben gesagt:
»Leider, wir haben keinen Platz für Praktikanten.«

Was ich mir für die Zukunft wünsche:
Eine Ausbildungsstelle, das ist mein großer Wunsch.
Ich hoffe, es gibt bald eine Freiheit in meinem Land, wenn es wieder Freiheit gibt, dann bleibe
ich nicht hier in Deutschland, dann fliege ich wieder nach Afghanistan. Jetzt bin ich hier und
wünsche mir bis nächstes Jahr meine Ausbildungsstelle, das ist mein großer Wunsch. Ich
suche noch. Ich habe hier in Schönebeck eine Bewerbung geschickt, aber noch keine Antwort
bekommen. Habe ich letztes Jahr auch gemacht, aber eine Absage bekommen, dieses Jahr
habe ich wieder versucht und nochmal eine Bewerbung geschickt.
Und natürlich wünsche ich für die Kinder hier gut zur Schule zu gehen, gute Ausbildung, gute
Arbeit zu finden. Das ist mein Wunsch.

Aufbrechen

Ammar Awaniy © N. Pruß

Ammar Awaniy

»Wir sind bereit,
kommt zu uns, fragt uns.
Kommt und sprecht
einfach mit uns.«

Ich bin Ammar, 29 Jahre alt und komme aus Homs in Syrien. Dort habe ich
Automatisierungstechnik studiert. 2015 bin ich als Geflüchteter nach Deutschland
gekommen. Seitdem habe ich mein Berufsfeld gewechselt, arbeite jetzt in der .lkj)
Sachsen-Anhalt und habe ein Buch über meine Geschichte herausgebracht.


Was mir hier geholfen hat:
Die Menschen, die ich kennengelernt habe, haben mir sehr geholfen. Zum Beispiel eine Frau,
Doreen, die uns damals geholfen hat, zu übersetzen, wenn wir beim Sozialamt oder Jobcenter
oder so waren. Sie war wirklich geduldig mit mir und wir haben die Sprache gelernt.
Irgendwann hatte ich die Idee, ein Buch zu schreiben, meine Geschichte zu erzählen. Und dafür
brauchte ich Menschen, das konnte ich nicht alleine. Das war wirklich lustig, denn ich habe
die ersten drei Kapitel auf Arabisch geschrieben und dann habe ich versucht, den Text einfach
mit Google Translator zu übersetzen, war einfach wow. Dann bin ich zu dieser Freundin: »Ach
guck mal, ich habe etwas geschrieben«. Sie hat es gelesen und irgendwie hat sie geschafft, die
Idee zu verstehen, worum es in diesem Text ging und hat mich dann mit Axel Schneider, dem
damaligen Geschäftsführer der .lkj) Sachsen-Anhalt, verbunden. Wir haben uns dann mit Dr.
Ziethen vom Dr. Ziethen Verlag in Oschersleben getroffen und er hat sofort gesagt »Ja, schreib
weiter, wir machen das.« Also haben wir das gemacht. Dann habe ich Mieste kennengelernt
und wir haben die erste .lkj)-Theatergruppe gegründet. Das hat mir auch bei der Sprache
geholfen, weil wir die Texte gelesen und unsere Rollen geprobt haben. Und dann stand ich
zum ersten Mal auf der Bühne als Schauspieler, das hätte ich nicht gedacht, dass ich das
machen kann. Also ich war ein wirklich Schüchterner, als ich noch in Syrien war. Und hier habe
ich mich aus meiner Schale befreit, auf der Bühne zu stehen, Lesungen zu halten und so. Das
hat einfach mein Leben geändert.
Auch die Arbeit, die ich am Anfang getan habe, hat sehr geholfen, die Sprache zu lernen
und mich hier einzuleben. Während des Studiums, als ich meinen Master hier gemacht habe,
habe ich BAföG bekommen. Trotzdem war es zu wenig und man durfte daneben auch einen
Minijob machen, das habe ich beim Café Del Sol gemacht, da habe ich so ein Jahr gearbeitet,
jedes Wochenende sechs/sieben Stunden, manchmal auch unter der Woche, das war eine
sehr schöne Erfahrung. Die Menschen, die Kollegen waren alle sehr nett mit mir obwohl meine
Sprache nicht so gut war und das wiederum hat mir geholfen die Sprache zu lernen. Da hört
man die Umgangssprache, wie die Sätze formuliert werden und so, das war schön. Irgendwann
konnte ich Studium und Arbeit nicht mehr vereinen und dann kam noch die Idee mit dem Buch
und dadurch brauchte ich noch mehr Zeit und bin dann gegangen. Als mein Buch, Fackel der
Angst – Von Homs nach Magdeburg, Ende 2017 dann veröffentlicht wurde, gab es ein neues
Einkommen, nämlich über die Lesungen. Viele haben mich für Lesungen eingeladen, das war
schön. Zwischendurch habe ich dann als Ingenieur in Haldensleben gearbeitet, weil ich Angst
hatte, dass meine Eltern in Syrien irgendwann Geld brauchen. Und dann kam irgendwann die
Arbeit bei der .lkj). Ansonsten kann ich sagen, Magdeburg ist auch irgendwie eine Heimat
geworden, da habe ich so viele Menschen kennengelernt, ein großes Netzwerk aufgebaut.
Alles, was ich hier gemacht habe, also die Bücher und die Projekte, hätte ich vielleicht
irgendwo anders nicht machen können.

Was anders hätte laufen sollen:
Leider waren meine Erfahrungen in deutschen Behörden, mit den Sachbearbeitern im
Jobcenter oder beim Sozialamt nicht besonders gut. Die erste Erfahrung, die ich in
Deutschland gemacht habe mit einem Mitarbeiter in einem deutschen Amt, war im Sozialamt.
Da sollte ich mich, als ich nach Magdeburg gekommen bin, einfach anmelden. Das habe ich
gemacht und diese Mitarbeiterin sagt mir, weil ich natürlich auf Englisch gesprochen habe:
»Du musst erstmal Deutsch lernen.« Und das hat sie nicht so höflich gesagt, sondern mehr wie
»Warum sprichst du Englisch mit mir? Geh erstmal, lern Deutsch und komm dann zurück.« Da
sitzt man dann erstmal und denkt »Das ist mein erster Tag in Magdeburg, Leute, was ist hier
los?« Wer sagt sowas? Das würde ich nie zu einem Deutschen in Syrien sagen. Und das war
auch ein Grund, weswegen ich möglichst schnell versucht habe, die Sprache zu lernen, so »Ja
gut, dann lerne ich Deutsch, okay, was noch?«
Und leider hat sich seit sechs, sieben Jahren nichts geändert. Am Anfang hatte ich das Gefühl,
die Mitarbeiter in den Behörden waren überrascht, dass es plötzlich so viele Menschen sind.
Dann ist man zwei, drei Monate überrascht und irgendwann ist das die Realität und man
findet einen Weg. Aber nein, irgendwie sind die immer noch überrascht oder sie interessiert
es einfach nicht. Und es gab keine interkulturellen oder antirassistischen Schulungen oder so.
Rassistische Behandlungen, die manche Menschen erfahren haben, sind immer noch da. Und
ich finde es einfach verrückt, dass zum Beispiel eine Mitarbeiterin bei der Ausländerbehörde
arbeitet und ihre einzige Aufgabe ist, jeden Tag mit Menschen mit Migrationshintergrund und
Geflüchteten umzugehen, und sie Rassistin ist. Ich verstehe nicht, wie kannst du – wie kannst
du hier arbeiten?
Und dann kamen andere Probleme, zum Beispiel, dass man bei so vielen Sachen ein oder zwei
Jahre warten muss, bis man irgendwann Bescheid kriegt, bei der Aufenthaltserlaubnis oder bei
der Staatsbürgerschaft oder so, das ist auch bei mir das Problem, warum? Warum? Ich verstehe
es nicht. Bei anderen Städten ist das mittlerweile nicht mehr der Fall, aber in Magdeburg ist
das immer noch ein relevantes Problem, es hat sich nichts geändert.
Ich habe den Einbürgerungsantrag jetzt vor einem Jahr gestellt, Empfehlungsschreiben und
alle Dokumente mitgeschickt und alles, was ich von der Stadt Magdeburg bekommen habe,
war die Rückmeldung, dass die Bearbeitung mindestens zwei Jahre dauert. Ich meine, ich
bin einer der Menschen, die wirklich viel gemacht haben: Ich war ehrenamtlich aktiv, seit ich
angekommen bin, ich habe gearbeitet, Steuern bezahlt, ich habe Deutsch gelernt, meine
Zeugnisse sind anerkannt, ich habe als Ingenieur gearbeitet, ich mache jetzt etwas Anderes,
aber trotzdem arbeite ich weiter und das alles hat keine Bedeutung für die Stadt. Eigentlich
wollte ich umziehen. Helmstedt in Niedersachsen wurde mir zum Beispiel vorgeschlagen, aber
das alles kostet wieder Zeit und Geld, deswegen bin ich hiergeblieben. Ich habe die Hoffnung
noch nicht aufgegeben, aber es ist schwer.

Was ich mir für die Zukunft wünsche:
Ich wünsche mir, dass es in Behörden mehr interkulturelle Schulungen gibt. Dass dort nur
Personen arbeiten, die auch mit Ausländern umgehen können. Und dass die bürokratischen
Prozesse in Zukunft schneller gehen und ich endlich meine Staatsbürgerschaft bekomme.
Ansonsten wünsche ich mir ein bisschen mehr Offenheit, mehr Aufgeschlossenheit. Es müssen
irgendwie alle verstehen: Wir haben unser Land verlassen, weil wir dort keine Zukunft haben,
solange das aktuelle Regime, der Assad, dort immer noch in der Regierung ist und Krieg
herrscht, weil sich solange nichts ändern wird. Das heißt, wir leben jetzt hier seit sieben Jahren,
wir haben hier eine neue Heimat gefunden und wir arbeiten für unsere neue Heimat. Wir
wollen jetzt hier sein, wir wollen uns hier integrieren, aber wenn ich das Wort Integration nutze,
dann Integration ist von beiden Seiten. Nicht Ammar alleine kann sich integrieren, sondern
auch Du auf der anderen Seite. Und gemeinsam können wir hier wirklich friedlich leben. Wenn
etwas unklar ist, müssen die Menschen mit uns ins Gespräch kommen.
Und von meiner Seite her: da habe ich viele Träume. Ich habe ja als Ingenieur gearbeitet und
habe mein Studium weitergemacht, jetzt mache ich etwas Anderes und studiere in Hildesheim
und werde auch hoffentlich weiterstudieren nach dem Ende des Zertifikatskurses. Bücher
möchte ich natürlich auch noch weiterschreiben. Ich hoffe, dass das alles so klappt. Die
Hoffnung stirbt zuletzt und man muss irgendwie weiterarbeiten, weitermachen. Ich weiß nicht,
was die Zukunft für mich so hat, aber ich mache weiter.

Ein Projekt im Rahmen des FSJ-Kultur bei Resonanzboden // House of Resources Magdeburg
www.resonanzboden.global

Fotos: Nathalie Pruß

Danksagung

Wir danken außerdem der Firma MaconBau und dem Familienhaus Magdeburg für die Möglichkeit, vor Ort Interviews zu führen und Fotos zu machen.