Kultur-, bildungs- und jugendpolitische Positionen

BKJ-LogoGesellschaftlicher Zusammenhalt fußt auf kultureller und sozialer Teilhabe! Wer in Jugend, Kultur und Bildung investiert, stärkt die Grundlagen für Demokratie und Chancengerechtigkeit!

Kultur-, bildungs- und jugendpoltische Positionen unseres Bundesverbandes BKJ e. V.

 

Die Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ), der Dachverband der Kulturellen Bildung mit 56 Bundesfachverbänden und Landesdachorganisationen, stellt mit Sorge fest, dass der kulturelle und demokratische Zusammenhalt in Deutschland und Europa gefährdet ist. Rechtspopulismus und Radikalisierungstendenzen sowie die Ablehnung von Diversität und Inklusion stellen Grundpfeiler unserer demokratischen Gesellschaftsordnung offen in Frage.

Zufriedenheit mit Demokratie hängt von Teilhabechancen ab: den Möglichkeiten, Gesellschaft mitzugestalten, der wirtschaftlichen Lage und den Zukunftsperspektiven, die Menschen entwickeln können.

Die Möglichkeiten für all dies sind jedoch ungleich verteilt. Die unterschiedlichen Bedingungen des Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen werden zu wenig berücksichtigt. Vielen Menschen wird der Zugang zu dem verwehrt, was gesellschaftliches Leben im Alltag ausmacht: das eigene Lebensumfeld und damit auch die Gesellschaft mitzugestalten.

Unser Bildungssystem, die Angebote der formalen und nonformalen Bildung und auch die Möglichkeiten der Kulturellen Bildung bieten grundsätzlich gute Rahmenbedingungen für das Aufwachsen junger Menschen – aber nicht für alle Kinder und Jugendlichen in Deutschland! Dagegen müssen wir arbeiten – in einer Verantwortungsgemeinschaft aus Staat und Zivilgesellschaft.

Kulturelle Bildung kann einen wichtigen Beitrag leisten – für mehr kulturelle und soziale Teilhabe und gerechtere Bildungschancen. Dafür brauchen ihre Akteur/in- nen verlässliche Strukturen und Förderung.

Wir fordern daher von der Bundespolitik: 

Den Wert zivilgesellschaftlicher Strukturen für Demokratie und Zusammenhalt anerkennen

Für den demokratischen Zusammenhalt sind zivilgesellschaftliche Strukturen, die in der Praxis der Menschen vor Ort wurzeln, unverzichtbar. Die Organisationen der Kulturellen Bildung, Vereine, Verbände und Initiativen, sind solche Strukturen. Sie orientieren sich an der Vielfalt von Lebenslagen und Lebensorten. Ihre Reichweite, ihre Relevanz und ihre Nachhaltigkeit muss die Bundespolitik stärker als bisher anerkennen und unterstützen. Denn insbesondere freie Träger Kultureller Bildung schaffen mit ihrer Praxis Orte gesellschaftlicher Aushandlung. Sie bieten Gelegenheiten, um kulturellen und gesellschaftlichen Konsens kontinuierlich zu erarbeiten und zu leben. Damit machen sie Strukturen und Wege der politischen Mitbestimmung erfahrbar und schaffen eine wichtige Basis für Demokratie und Zusammenhalt.

Infrastrukturen der Kulturellen Bildung sichern und partnerschaftlich zusammenarbeiten

Voraussetzung dafür, dass zivilgesellschaftliche Strukturen der Kulturellen Bildung für Demokratie und Zusammenhalt wirksam werden können, ist die Sicherung ihrer Handlungsfähigkeit und Unabhängig- keit. Es ist wichtig, dass die „Weisheit der Vielen“ Gehör findet und ihre Forderungen ernstgenommen werden. Programme und Projekte der Kulturellen Bildung sollten daher nicht vorrangig staatlich gesteuert werden, sondern im Sinne der Subsidiarität und Partnerschaftlichkeit gemeinsam gestaltet werden. Wir fordern eine konsequente Orientierung am Subsidiaritätsprinzip und eine verlässliche Förderung der Fachstrukturen Kultureller Bildung, um deren Unabhängigkeit zu sichern.

Kooperationsverbot von Bund und Ländern in den Bereichen Kultur und Bildung abschaffen

Verantwortungsgemeinschaften von Bund und Ländern sind dringend nötig, um kul turelle Teilhabe und Bildungschancen zu verbessern. Das Kooperationsverbot von Bund und Ländern im Bildungs- und Kulturbereich muss abgeschafft werden.

Insbesondere an die Kinder- und Jugendpolitik des Bundes richtet die BKJ die Forderungen:

Inklusive kulturelle Bildungslandschaften durch Strukturen und Programme ermöglichen

Die Träger der Kulturellen Bildung wollen einen Beitrag zur Verwirklichung des Zieles einer inklusiven Gesellschaft leisten, in der jeder Mensch mit allen Facetten seiner Persönlichkeit anerkannt ist und selbstverständlich teilhaben kann. Dafür müssen die Angebote und die Strukturen Kultureller Bildung weiter entwickelt und geöffnet werden. Zudem muss die Zusammenarbeit von außerschulischer Jugendarbeit, sozialräumlichen Partnern, Familien und Schulen durch Netzwerke und Quali tätssicherung verbessert werden. Dies ist die Voraussetzung, um chancengerechtes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen im Schnittfeld von informellen, nonformalen und formalen Bildungswelten zu unterstützen. Gebraucht werden mehr Möglichkeiten für Qualifizierung und die Weiterentwicklung von Methoden, Strukturen und Kommunikationspraxen.

Kulturelle Bildung von Anfang an ermöglichen

Um Kindern von Anfang an kulturelle Teilhabe und individuelle Förderung zu ermöglichen, muss Kulturelle Bildung in Kitas und der Eltern- und Familienbildung gestärkt werden. Gute kulturelle Bildungspraxis ist ein wesentlicher Motor für die Weiterentwicklung der Qualität von Kitas, denn ästhetische Bildung ist ein wesentliches Element frühkindlicher Bildung und Entwicklung. Benötigt wird eine Förderung für Implementierung, Qualifizierung und Vernetzung einer kulturellen Bildungspraxis mit jüngeren Kindern. Die lebendige Kooperationspraxis von kulturellen Partnern und Kitas muss stärker als bisher gefördert werden.

Mindestens 12 Mio. Euro für Kulturelle Bildung im KJP

Durch den Anspruch, vielfältigen Lebens- lagen junger Menschen und aktuellen gesellschaftliche Herausforderungen gerecht zu werden, haben sich die Aufgaben der Träger Kultureller Bildung deutlich ausgeweitet und sind komplexer geworden. Diesem Verantwortungszuwachs muss die Bundesjugendpolitik ebenso Rechnung tragen wie einem notwendigen Ausbau der Infrastruktur. Insbesondere in den letzten Jahren neu aufgebaute Fachstrukturen innovativer Praxisformen Kultureller Bildung, die viele Kinder und Jugendliche erreichen können, müssen endlich auch strukturell abgesichert werden. Die Bundesjugendpolitik muss mit einem Aufwuchs der Förderung der Kulturellen Bildung im Kinder- und Jugendplan auf mindestens 12 Mio. Euro ein deutliches jugendpolitisches Zeichen setzen.

FSJ und Bundesfreiwilligendienst: Bundes- mittel sichern und ESF-Förderung stärken

Das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) und der Bundesfreiwilligendienst im Kulturbereich müssen qualitativ weiterentwickelt werden – insbesondere in Hinsicht auf Inklusion. Und sie müssen quantitativ abgesichert werden durch die Bereitstellung der notwendigen Bundesmittel für den kulturellen Bereich und die Fortführung der struktursichernden Förderung aus ESF-Mitteln. Der internationale Jugendfreiwilligendienst muss ausgebaut werden.

Eine Flexibilisierung der Vollzeitdienstpflicht in den Freiwilligendiensten für alle Altersgruppen ist dringend notwendig, um Teilhabemöglichkeiten zu verbessern. Die sozialrechtlichen Rahmenbedingungen für die Freiwilligendienste müssen verbessert werden.

Ehrenamtliches Engagement

Kinder- und Jugendkultur erzeugt sogenannte „öffentliche Güter“, indem bürgerschaftliches Engagement sich partizipatorisch in die Gesellschaft einbringt. Auch im kulturellen Bereich muss das Ehrenamt von Bürokratie entlastet und bei Gesetzesvorhaben im Sinne eines Engagementchecks berücksichtigt werden.

Die internationale und die europäische Dimension der kulturellen Jugendbildung ausbauen

In einer globalisierten Welt haben Kinder und Jugendliche das Recht, Bildungsmöglichkeiten vorzufinden, die ihnen die Erfahrung der Internationalität, Komplexität und der Mobilität ermöglichen. Die Bundesjugendpolitik muss Organisationen der Kulturellen Jugendbildung finanziell dabei unterstützen, im Rahmen von professionellen Organisationsentwicklungsprozessen eine verbandliche Europäisierung oder Internationalisierung umzusetzen. Diese sollen es ihnen ermöglichen, jungen Menschen durch gemeinschaftliche Mobilitätserfahrungen ein europäisches und weltoffenes Bewusstsein zu vermitteln, das sie befähigt, den zunehmenden frem- denfeindlichen Tendenzen in den Ländern Europas entgegenzutreten. Die Bundesjugendpolitik sollte durch ein gezieltes Förderprogramm zur Europäi- sierung/Internationalisierung die internationale Dimension der Fachorganisationen der Kulturellen Bildung inhaltlich und strukturell stärken.

An die Bildungspolitik des Bundes richtet die BKJ die Forderungen:

Orte und Plattformen für einen wirkungsvollen Praxis-Forschungsdialog ermöglichen

Forschung für Kulturelle Bildung muss den Bedarf und die Erfahrung der bundesweiten Praxisfelder aufgreifen, um in der Praxis Wirkung zu entfalten. Damit dievorhandenen Erkenntnisse gehoben und nutzbar werden, brauchen Forschung, Fachstrukturen und Praxis Orte und Platt- formen für einen systematischen Dialog. Dieser ist erforderlich, um unterschiedliche Wissensformen zu reflektieren und miteinander zu verbinden. Ein solcher Forschung-Praxis-Dialog muss gemeinsam von Bundesbildungspolitik und Fachstrukturen erarbeitet werden.

Kulturelle Bildungsangebote und Vernetzung vor Ort weiterentwickeln

Das Bundesprogramm „Kultur macht stark“ muss in seiner zweiten Phase in der Zusammenarbeit von Zivilgesellschaft und Staat durch zusätzliche Vernetzungs-, Entwicklungs- und Strategieplattformen unterstützt werden, damit die kulturelle Bildungspraxis nachhaltiger für chancengerechtigkeit und Teilhabe wirksam werden kann. Die Bundesbildungspolitik muss zusätzlich und über die Programmdauer hinaus Initiativen und Angebote von Fachstrukturen in enger Zusammenarbeit mit den Ländern und den Kommunen fördern, welche vor Ort die Zusammenarbeit für Kulturelle Bildung stärken, um so zum Bil- dungserfolg beizutragen.

In die Weiterbildung und Qualität für Kulturelle Bildung investieren

Für kulturelle Bildungspraxis übernehmen viele Professionen Verantwortung – individuelle in den jeweiligen nonformalen oder formalen Bildungseinrichtungen ebenso wie in Kooperationsvorhaben. Sie ermöglichen damit altersadäquate Zugänge zu ästhetischen, künstlerischen, spielerischen, medialen und kulturellen Bildungs- und Teilhabeprozessen. Fachkräfte und Einrichtungen sehen sich mit wachsenden professionellen Anforderungen ebenso konfrontiert wie mit einem zunehmenden Interesse an einem breiten

kulturellen Bildungsangebot. Daher muss der Bund in die systematische Weiterentwicklung von Weiterbildungsangeboten und Qualitätssicherungsmaßnahmen investieren. Fachkräfte müssen dabei nicht nur auf eine inklusiv orientierte kulturpädagogische Praxis orientiert werden, sondern auch in ihren interprofessionellen Kompetenzen gestärkt werden.

An die Kulturpolitik des Bundes richtet die BKJ die Forderungen:

Kulturelle Bildung als eine Kernaufgabe von Kulturpolitik verankern

Kultureinrichtungen müssen als Orte der kulturellen Teilhabe und der gesellschaftlichen Verständigung gestärkt und weiter entwickelt werden. Um Integration und als kulturellen Prozess mitzugestalten sind kulturpolitische Impulse für Kulturelle Bildung seitens der Bundeskulturpolitik unverzichtbar. Sie muss Plattformen des Austauschs schaffen, die unter einem zeitgemäßen inklusiven gesellschafts- und kulturpolitischen Leitbild und unter Beteiligung der Akteure Kultureller Bildung auf Bundesebene stattfinden.

Kultureinrichtungen bei der diversitätsbewussten und inklusiven Öffnung unterstützen

Es ist eine langfristige kulturpolitische Aufgabe, den kulturellen Wandel in unserer Gesellschaft gemeinsam mit Initiativen, Kultureinrichtungen und -verbänden zu gestalten. Die Bundeskulturpolitik muss Kultureinrichtungen dabei unterstützen, diversitätsbewusste und diskriminierungssensible Öffnungs- und Veränderungsprozesse voranzutreiben.

Von der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik und der Außenpolitik fordert die BKJ:

Die Bedeutung der Fachorganisationen in der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik anerkennen

Auch die Fachorganisationen der Kulturellen Bildung müssen in ihrer Rolle als zivilgesellschaftliche Mittlerorganisationen neben den klassischen Mittlerorganisationen offiziell anerkannt, gestärkt und in die Entwicklung von Strategien der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik eingebunden werden.

Kultureller Bildung in Partnerländern zu mehr Wirksamkeit und politischer Anerkennung verhelfen

Die nicht-formalen Bildungswirkungen von Maßnahmen der international agierenden Fachorganisationen der Kulturellen Bildung müssen durch Formen des fachlichen Austauschs und der Unterstützung beim Aufbau und Erhalt zivilgesellschaftlicher Strukturen neben dem klassischen Kulturaustausch und der Spracharbeit im Sinne eines ganzheitlichen Bildungsverständnisses eine sichtbare Rolle in der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik spielen. Um diese Wirkungen erzielen zu können, müssen u. a. die restriktiven Visaregelungen für Partner aus dem Globalen Süden gelockert werden

Diese Forderungen wurden von der Mitgliederversammlung der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V. (BKJ) am 24. März 2017 in Wandlitz verabschiedet. (Auszug, die vollständige Fassung ist hier nachzulesen.

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