Ebru erzählt: Corona-Rückholung – wie war das?

Am 12. März 2020 wurden die ersten zwei Covid-19 Fälle in Ghana bekanntgegeben. Zu dem Zeitpunkt ahnten meine Mitfreiwilligen und ich nichts von einer frühzeitigen Rückkehr nach Deutschland. Einige Tage später bekamen wir mit, wie die ersten weltwärts Freiwilligen in Accra nach Deutschland zurückgeholt wurden.

Auch in dem Moment kam ich nicht auf die Idee, dass wir womöglich zurückfliegen mussten. Zu unserer Überraschung ging am darauffolgenden Montag die Nachricht ein, dass wir schnellst möglich unser Einsatzland verlassen müssen, um die Gesundheitssysteme in Ghana nicht zusätzlich zu belasten. Viele Fragen nahmen meinen Kopf ein und in mir irrte jede Emotion, die man sich vorstellen kann. Trotzdem war ich mir sicher, dass der Rückflug nicht vor einer Woche stattfinden wird. Am darauffolgenden Tag stand fest, dass unsere Flüge für den Donnerstag in zwei Tagen gebucht seien. Moritz und ich lasen die Information, als wir im Jamestown Community Center, unserem täglichen Arbeitsplatz, waren und mit den Kindern aus dem Center spielten. Wir haben noch ein letztes Mal Fun Yogo Eis mit den Kindern gegessen. Ein letztes Mal durch Jamestown spaziert und Jamestown Kenkey, eine ghanaische Spezialität, gegessen. An diesem Tag viel mir auf, dass ich eigentlich viel mehr Zeit in Jamestown verbracht hätte. Kurzfristig haben wir ein paar unserer Freunde zum Abendessen bei Chez Clarisse (unser absoluter Hotspot zum Essengehen in Accra) eingeladen. Ein wohltuender und ermutigender Abend.

An dem Abend spazierte ich mit Tabea, eine gute Freundin, Mitfreiwillige und Mitbewohnerin, das letzte Mal zu unserem Kokosnussmann in der Oxford Street. Tränen, Gefühlchaos und Sinnlosigkeit überrumpelten uns.

Ich wollte nicht verstehen, warum wir zurückmussten – nach Deutschland, wo ich mich auf wenig freute. Natürlich habe ich Familie und Herzensmenschen in Deutschland, doch diese Beziehungen funktionierten auf Distanz besser denn je. Ich fühlte mich, als wäre mir ein Lebensabschnitt geraubt worden. Ich wurde aus meinen täglichen Routinen entrissen. Ich konnte mich nicht von meinen liebsten Menschen verabschieden. Ich brachte mein Miniprojekt nicht zu Ende. Ich hatte so viele Kooperationen geplant.

Nach letzten Erledigungen auf dem Kaneshie Market und bei unserer wundervollen Schneiderin Memune verabschiedeten wir uns am 19. März von unserer Wohnung, unserem Esstisch mit vielen Erinnerungen, unseren Freunden am Flughafen und bereiteten uns mental auf den Wechsel vor. Wir verabschiedeten uns auch von uns als WG – Moritz, Tabea, Vincent und ich. Ich versuchte dankbar zu sein und Dinge zu finden, auf die ich mich freue.

In Deutschland angekommen hatte ich einen Eigenkulturschock im Land, in dem ich aufwuchs und sozialisiert wurde. Besonders in München war die Corona-Lage präsenter und angespannter als in anderen Bundesländern. Ich war es gewohnt aus meinen Reisen nach Deutschland zurückzukommen und mich auf die deutsche Mentalität umzustellen. Doch nun war ich überfordert von der Ausnahmesituation aufgrund der Pandemie und der bestehenden Herausforderung.

Irgendwo zwischen Ghana und Deutschland. Zeit heilt alle Wunden. Mehr angekommen, mehr akzeptiert, ein neues Zuhause aufgebaut und neue Routinen gefunden. Ich bin dankbar, dass ich bereichernde 7 Monate in Accra leben durfte, schöne Begegnungen machte und dieser Ort immer ein Zuhause bleiben wird.

Letztendlich war die Rückkehr eine Chance mit der Ungewissheit des Lebens zu tanzen.

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