Interesse an einem Freiwilligen Sozialen Jahr im Kulturbereich (FSJ Kultur)? In diesem Interview stellen wir die Organisation .lkj) Landesvereinigung kulturelle Kinder- und Jugendbildung Sachsen-Anhalt e.V. vor. Das Team rund um die Leiterin des Bereichs ‘Freiwilligendienste Kultur und Bildung’ Kirsten Mengewein hat uns ausführlich über die Arbeit des Vereins Rede und Antwort gestanden. Wir bedanken uns herzlich für die spannende Begegnung und wünschen viel Spaß bei der Lektüre. [Jetzt ist Annemarie Walter die Leiterin des Fachbereichs und Claudia Penseler verantwortlich für das weltwärts-Projekt.]

1) Was ist die .lkj) Landesvereinigung kulturelle Kinder- und Jugendbildung Sachsen-Anhalt e.V. und was macht ihr genau?

fsj kultur: .lkj) Sachsen-Anhalt e.V. ermöglicht JugendbegegnungDie .lkj) Sachsen-Anhalt e.V. wurde im Jahr 1995 gegründet und ist der Dach- und Fachverband im Land Sachsen-Anhalt für kulturelle Kinder- und Jugendbildung; kulturelle Freiwilligendienste im In- und Ausland; Breitenkulturarbeit und Soziokultur. Wir sind ein landesweit anerkannter Träger der Jugendhilfe in Sachsen-Anhalt und Dachverband für Vereine und Verbände der Kinder- und Jugendkulturarbeit in Sachsen-Anhalt. Die .lkj) Sachsen-Anhalt e.V. ist dem Dachverband der BKJ – Bundesvereinigung kulturelle Kinder- und Jugendbildung e.V. angeschlossen. Für interessierte Menschen bieten wir kulturelle Bildungsangebote, Freiwilligendienste (BFD Kultur und Bildung, FSJ Kultur, FSJ Ganztagsschule, weltwärts), internationale Jugendbegegnungen [nicht mehr], Ausbildung zur/zum Jugendgruppenleiter*in und Teamer*in, den Wettbewerb Jugend-Kultur-Preis des Landes Sachsen-Anhalt, neue Er­fahrungen, Hilfestellungen und Informationen, Kontakte und natürlich auch Spaß! [alles andere ist nach wie vor aktuell!]

2) Wie arbeitet ihr mit dem entwicklungspolitischen Freiwilligendienst weltwärts zusammen?

Wir sind seit 2008 Träger [Trägerin – wir verwenden inzwischen die weibliche Form – schließlich heißt des DIE Landesvereinigung…] des entwicklungspolitischen Freiwilligendienstes weltwärts und entsenden hier bis zu 25 Freiwillige in unterschiedliche Länder. Aktuell entsenden wir Freiwillige nach Laos, Ghana, Togo, Kamerun, Boliven und Kolumbien. Hier gibt es jedes Jahr Veränderungen. Mal kommen neue Projekte in anderen Ländern dazu, mal fallen Projekte wieder weg. [Zuletzt sind Kamerun, Togo und Bolivien weggefallen. Inzwischen finden wir eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit lokalen Organisationen wichtig. Starke Partnerschaften aufzubauen ist auch durch die SDG immer wichtiger geworden. Deshalb sind sogenannte koordinierende Partnerorganisationen in Ghana, Laos und Kolumbien berufen worden, die sich jeweils um die Einsatzstellen und organisatorischen Belange kümmern.] Uns geht es vor allem darum, dass es in den Projekten einen kulturellen Aufgabenschwerpunkt für die Freiwilligen gibt. Als Vorzeigebeispiel nennen wir hier immer gern ein Theaterprojekt und ein Online-Radio in der Hauptstadt Ghanas. [Ja, das sind tolle Projekte! Und Aufgaben im Bereich der Kulturarbeit widmen sich die Jugendlichen heutzutage auch fast lieber als rein sozialen Projekten – wo ihr Einsatz ja auch noch viel kritischer zu betrachten ist.]

3) Wie schätzt ihr das Potenzial von Volunteer Reisen für entwicklungspolitische Bildung bzw. globales Lernen ein und wo liegen die Herausforderungen?

fsj kultur: .lkj) Sachsen-Anhalt e.V. ermöglicht FreiwilligenarbeitIm Gegensatz zu einem Freiwilligendienst im Inland geht es bei einem Freiwilligendienst im Globalen Süden viel stärker noch um die persönliche Motivation der Freiwilligen. [Ja, die Freiwilligen sollten offen sein, neugierig, engagiert, empathisch, sie sollten hinterfragen können und wollen, sie sollten sich auf eine ganz neue Lebenswelt einlassen können, sie sollten stark & belastbar sein, sie sollten bereit sein, ihre Erfahrungen weiterzugeben, sie sollten … ] Und diese ist zugleich Herausforderung. Viele Jugendliche beschreiben, dass sie “in armen Gebieten helfen wollen”. [White Saviorism ist nach wie vor weit verbreitet, wir nehmen jedoch auch wahr, dass die Black-Lives-Matter-Bewegung auch viel in Bewegung gebracht hat bei den Jugendlichen.] Diese Schieflage der Perspektive auf den Globalen Süden wollen wir beleuchten. Wir möchten, dass der Freiwilligendienst als Lerndienst verstanden wird – auf beiden Seiten. [Ja, alle lernen: Freiwillige, Mentor*innen, Koordinierende, … – sofern sie offen dafür sind.] Und dass es weniger darum geht, gut gebildete Weiße in den Süden zu entsenden um “den Menschen dort zu zeigen, wie es besser läuft.” [Darum geht es tatsächlich gar nicht. Es ist immer traurig zu erleben, dass trotzdem genau diese Haltung vermittelt oder wahrgenommen wird.] Unser Anspruch ist eine Begegnung auf Augenhöhe und ein Miteinander im Geben&Nehmen. Das ist das größte Potenzial des Freiwilligendienstes und gleichzeitig die größte Herausforderung. [Ja, warum machen wir das eigentlich? Wir müssen uns fortlaufend mit schrecklich schiefen globalen Machtverhältnissen auseinandersetzen. Nur unsere Ideale und unsere Überzeugung, dass so ein Aufenthalt prägend und mind-changing ist (und damit zu einer besseren – gerechteren Welt beiträgt), lassen uns immer wieder die Motivation finden. Von Partner*innen aus dem Süden hören wir ähnliches. Sie nehmen die Herausforderungen auf sich, weil es wunderbar ist, die Entwicklung junger Menschen zu begleiten, weil alle Beteiligten lernen und der Samen für Veränderung gesät wird.] Wir benutzen übrigens ungern den Begriff Volunteer Reisen. Weltwärts birgt die Gefahr als Jahr gesehen zu werden, in dem mensch reist und viel Urlaub macht – fern einer 40h Woche. Wir wollen dem aktiv entgegen wirken. Gleichzeitig merken wir die Tendenz, dass sich Jugendliche immer wieder nach Kurzzeit-Freiwilligendiensten erkundigen. 6 Monate hier, 6 Monate dort …. und dann weiter. [eine Zeit im Ausland macht sich ja auch gut im Lebenslauf…] Das entspricht nicht unserem pädagogischen Konzept. [Wir sehen außerdem ein Potential in der Multiplikation der Erfahrungen – Eltern, Geschwister, Nachbar*innen – sie alle erfahren von den Erlebnissen der Jugendlichen – und verändern damit vielleicht auch ein Stück weit ihr Bild von z.B. Afrika.]

4) Worauf legt ihr den speziellen Fokus bei der Bildungsarbeit mit (weltwärts) Volunteers?

Unsere Schwerpunkte bei der Bildungsarbeit liegen unter anderem auf Entwicklungszusammenarbeit und ihrer Geschichte [den Entwicklungsbegriff an sich kritisch zu hinterfragen], Kolonialismus, Anti-Bias, Macht/Privilegien, Globalem Lernen [Lebenswelten in Bezug setzen / globale Verknüpfungen reflektieren], auf der kritischen Auseinandersetzung im Gebrauch von bestimmten Worten und Redewendungen, Critical Whitness [Rassismus und Diskriminierung], Perspektivwechsel, vorab Gespräche mit Menschen, die in dem jeweiligen Gastland leben/lebten und aktive Alumni-Arbeit, Projektarbeit durch die Freiwilligen im jeweiligen Land [die Freiwilligen haben die Möglichkeit gemeinsam mit ihrer Einsatzstelle ein Projekt zu starten und umzusetzen.].

5) Bietet ihr auch eine Vorab-Beratung für Freiwillige an und unterstützt bei der Entscheidung, ob das FSJ im Inland oder Ausland geleistet wird?

fsj kultur: .lkj) Sachsen-Anhalt e.V. BeratungBei einem FSJ (bei uns sind es das FSJ Kultur sowie das FSJ (Ganztags-)Schule) finden die 25 begleitenden Bildungstage jeweils begleitet und in Blöcken über das Jahr verteilt statt.
Bei dem Format weltwärts, welches auch 25 begleitende Bildungstage beinhaltet, findet vor der Ausreise der Freiwilligen ein 12-tägiges Vorbereitungsseminar [jetzt 2 Tage online-Vorbereitung (Orga), 7 Tage Ausreiseseminar in Sachsen-Anhalt und drei Tage Ankunftsseminar im Gastland] statt. Darüber hinaus haben wir seit diesem Jahr auch ein Kennlern-Wochenende eingeführt, auf dem wir die weltwärts-Interessent*innen bereits vorab besser kennenlernen und beraten können. [Das ist aus Geldgrünbden wieder rausgefallen.] Wir versuchen hier tatsächlich den Fokus auf die Beratung der Jugendlichen zu legen und weniger auf eine Auswahl der zukünftigen Freiwilligen mit Testverfahren, etc. Wir laden alle Bewerbenden zu Info&Kennlerntage ein und geben jeder Person die Chance, sich vorzustellen und spezielle Bedürfnisse zu besprechen: Ist weltwärts mit Kind möglich? Ich habe kein Abitur[/mache meinen Master in Friedens- und Konfliktforschung], entsendet ihr mich trotzdem? Ich bin PoC[/habe eine Behinderung/chronische Erkrankung], welche Einsatzorte sind für mich denkbar bzw. was muss mit dem jeweiligen Partner vor Ort geklärt werden? Während dieser Kennlerntage bringen wir bereits einige unserer Vermittlungskonzepte und Themen ein.

6) Wie unterscheiden sich die Zielgruppen für ein FSJ im Inland von einem entwicklungspolitischen Freiwilligendienst?

Wie bereits angedeutet, ist die Motivation der Teilnehmer*innen bei weltwärts anders, als im FSJ. Die Jugendlichen sind in jedem Fall über 18 und wollen (erste) Auslanderfahrungen sammeln. Viele sind von der Idee angetan »helfen zu wollen«. Sie wollen sich bewusst werden, in welche priviligierten Welt sie aufgewachsen sind und “die andere Seite ausprobieren”. Hier beginnt für uns erste Bildungsarbeit.

7) Welchen Nutzen haben die Partnerorganisationen im Süden von den Freiwilligeneinsätzen?

fsj kultur: .lkj) Sachsen-Anhalt e.V. unterstützt PartnerorganisationenEigentlich müsste die Frage lauten, welchen Nutzen haben wir. Wir ermöglichen es, jungen Menschen im Ausland Erfahrungen zu sammeln und ihre Kompetenzen auf- und auszubauen. Aber natürlich haben neben uns, auch unsere Partner-Organisiationen etwas davon uns, z.B. jährlich junge Menschen, die sich bei ihnen freiwillig engagieren. [siehe oben. zuletzt kam auch die Perspektive auf die Entsendung junger Menschen vom Süden in den Norden dazu.]

8) Was bedeutet für euch ‘tieferes Reisen’?

Für uns bedeutet dies, sich intensiver mit einem Land, einer Region und den Menschen, die dort leben, auseinander zu setzen, kennenzulernen, zu verstehen und mit ihnen in den Austausch zu treten. Dabei ist es wichtig, dass wir uns dabei nicht zu wichtig nehmen und bestehende Machtverhältnisse reflektieren. [ja, sich einlassen, offen sein, interagieren, reflektieren]

9) Was habt ihr in Zukunft vor?

Generell wollen wir unsere Formate im In- und Ausland beibehalten und geringfügig ausbauen und stabilisieren. [Hmm, das hat sich verändert.] Weiterhin ist es uns ein großes Anliegen, unsere Freiwilligen – egal ob sie im Inland oder im Ausland ihren Dienst absolvieren – für Themen wie Globales Lernen, Anti-Diskriminierung, Macht-Verhältnisse, Klassismus, Inklusion, Gender*, etc. zu sensibiliseren und die Jugendlichen anregen, sich intensiver mit diesen Themen auseinder zusetzen. Eine großes Vorhaben ist es weiterhin, die Freiwilligendienste inklusiv zu öffnen und zu schauen: Welche Zielgruppe sprechen wir an? Wer sind unsere Freiwilligen? Und für wen könnte der Dienst noch interessant sein? Wen schließen wir von unserem Angebot aus? Und wie können wir dem entgegen wirken? [zu letzt war der Fokus, Menschen aus den neuen Bundesländern, dem ländlichen Raum und PoC anzusprechen – zum Teil ganz erfolgreich.]