kreative Prozesse in der Gemeinschaft. Gerade junge Menschen bürgen ein großes Potenzial für solche Veränderungsprozesse. Ihr Denken ist weniger stark eingeschränkt als das von Älteren. Sie denken über Grenzen hinweg, die uns sozialisiert wurden, weil sie sie noch nicht erfahren haben. Und selbst, wenn sie an solche stoßen, ist die Bereitschaft, sich über sie hinwegzusetzen, deutlich höher. Jugendeinrichtungen und Fachkräfte vor Ort sind dabei häufig diejenigen, die die Leitern halten, wenn Jugendliche sich
ausprobieren und Grenzen überschreiten wollen, sie jedoch auch auffangen, wenn es nicht klappt. Jugendliche, die in einem Stadtteil oder einer Region aufwachsen, welche gemeinhin als sozial schwach oder abgehangen gilt, erfahren häufig früher als andere
Altersgenossen, was es heißt, an eben jene Grenzen zu stoßen und zu scheitern. Weil Jugendeinrichtungen geschlossen
werden und das Umfeld ihnen weniger zutraut als Gleichaltrigen in anderen Stadtteilen, ist für sie Partizipation ungleich schwerer.
Das Modellprojekt »PimP – Partizipation im Plattenbau«, gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren,
Frauen und Jugendliche sowie dem Land Sachsen-Anhalt, hat für eineinhalb Jahre den Versuch gestartet, Jugendliche zu befähigen, eigene Ideen für ihre direkte Umgebung zu entwickeln und sie bei der Umsetzung zu unterstützen. Der Begriff »Plattenbau« ist dabei als Synonym zu verstehen und dient nicht selten als Veranschaulichung für den Gebäudetypus einer solchen Region. Im Dezember 2013 endet dieses Projekt. Das Fazit ist gemischt, stimmt zuversichtlich, zeigt aber auch Problemlagen, die einer längeren
Auseinandersetzung bedürfen. In jedender vier Projektorte sind wir ohne Ideen gekommen. Das mag zunächst verwunderlich klingen, war jedoch der zentrale Ansatz des Projekts. Wir haben uns auf die Ideen, Wünsche und kulturellen Vorstellungen der Jugendlichen eingelassen. Gerade in der Anfangsphase war es durch den bevorstehenden Winter nicht immer einfach, Jugendliche längerfristig zu motivieren, denn sie wollen draußen etwas verändern, Festivals veranstalten und sprichwörtlich graue Platten bunt machen. Wichtig war uns, den Jugendlichen von Anfang an keine Beschränkungen zu machen, ihnen zu sagen, dass das momentan Geplante nicht möglich sei. Schritt für Schritt haben sie sich selbst Ideen erarbeitet und geplant. Erst dann kamen wir Älteren ins Spiel und haben bei der Umsetzung geholfen, offizielle Stellen kontaktiert und vernetzt. Nach diesem Prozess standen dann
bunte Wände, spielerische Aktionen oder Bühnen auf einem Platz. Auch wenn die ursprünglichen Ideen nicht in ihrer Gesamtheit umgesetzt werden konnten und an bestehende Konzepte angeknüpft wurde, so war es am Ende zu einem großen Teil immer noch die Idee der Jugendlichen. Der Prozess dahin verlief nicht immer reibungslos und nach gut eineinhalb Jahren muss resümiert werden, dass solche Abläufe länger brauchen als die Projektzeit, weil Strukturen und Vertrauen erst wachsen müssen. Sie zeigen aber auch,
dass Jugendliche ihre Umwelt so verändern, partizipieren wollen, dass es andere auch sehen. Ein überaus beliebtes
Mittel dazu sind Graffiti-Werke, die in zwei von vier Regionen vertreten waren. Mindestens ebenso wichtig wie das Ergebnis selbst war für die Jugendlichen der Weg dorthin. Sie konnten erfahren, dass sich die Grenzen in unseren Köpfen überwinden lassen. Dazu brauchen sie die Hilfe und Unterstützung von uns! Häufig hängt diese Unterstützung von Diskussionen um Finanzrahmen und Förderzeiträume ab. Von diesem stetigen und kurzfristigen Projektcharakter waren auch wir betroffen. Dieser sollte jedoch in Zukunft überwunden wer den, da wir es nicht riskieren können, dass immer mehr Jugendliche immer früher an Grenzen stoßen, die sie glauben nicht überwinden zu können.
Wolfgang Höffken ist Jugendbildungsreferent bei der Landesvereinigung kulturelle Kinder- und Jugendbildung Sachsen-Anhalt e. V.